Haushaltsrede 2024 24. April 202424. April 2024 In der Kreistagssitzung – der sog. „Haushaltssitzung“ – am Montag, dem 22.04.2024 wurde der Haushaltplan des Landkreises Bamberg für das Jahr 2024 final beraten und auch beschlossen. Die grüne Kreistagsfraktion hat diesem nach ausführlichen Vorberatungen und Abwägungen mehrheitlich zugestimmt [Anmerkung: Die Fraktion stimmt im Kreistag ohne Fraktionszwang ab], aber auch deutliche Kritik geäußert. Nachfolgend die komplette Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Thomas Ochs Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrter Herr Schmittner, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren. Zunächst darf ich mich im Namen der grünen Fraktion herzlich bei Herrn Schmittner und seinem Team für die Erstellung und auch die Erläuterungen zum Haushalt 2024 bedanken. Ebenso bedanken wir uns bei der interfraktionellen Haushaltskommission und den Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die in dieser Kommission Rede und Antwort standen, für ihre wertvolle Zuarbeit. Unser besonderer Dank gilt allen Mitarbeiter*innen des Landkreises für die geleistete Arbeit in diesen doch herausfordernden Zeiten. Wie in den Jahren zuvor ist auch der Haushalt 2024 ein Rekordhaushalt: Die Einnahmen für den Landkreis sind so hoch wie nie, allerdings steigen auch die Ausgaben rasant an, so dass erstmals seit Jahren ein Defizit in niedriger zweistelliger Millionenhöhe – ca. 11 Mio € – entsteht. Und der Ausblick auf die nächsten Jahre stimmt nicht zuversichtlich: Die Personalkosten (33 Mio) und die Bezirksumlage (40 Mio) werden weiter steigen, die Kosten im Sozialbereich (24 Mio) ebenso. Dazu kommen hohe Kosten für die Bildung (fast 16 Mio) und die Unterstützung unserer Krankenhäuser (aktuell 5 Mio/a). Es gilt als sicher, dass wir in den nächsten Monaten die Verlängerung dieser Unterstützung für die GKG über 2024 hinaus beschließen müssen. Dies alles sind Posten, die wir wenig beeinflussen können oder die zu unseren Pflichtaufgaben gehören, die der Landkreis aber auch für alle Landkreisbürger erfüllt und deren Finanzierung gesichert sein muss. Demgegenüber stehen die Interessen unserer Gemeinden. Viele stehen finanziell gut da, in einigen ist die Haushaltlage aber durchaus angespannt. Dies gilt es bei der Festlegung der Kreisumlage zu beachten, Herr Schmittner hat die notwendigen Abwägungen ausführlich dargelegt. Wir meinen, dass die Last gemeinsam getragen werden muss und dass wir uns darauf einstellen müssen, dass auch in den nächsten Jahren die Kreisumlage deutlich steigen wird. Den im Kreisausschuss vorgeschlagenen Kompromiss einer Erhöhung um 2,5 Prozentpunkte können wir mittragen, hätten aber auch die ursprünglich avisierten 3,5 Prozent im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung der nächsten Jahre befürwortet. Was vermissen wir in diesem Haushalt? Kurz gesagt: Den Willen, die Zukunftsthemen engagiert zu gestalten. Wir investieren, aber setzen wir hier die richtigen Schwerpunkte? Wir meinen: Nur zum Teil! Ich möchte dies exemplarisch an einigen Beispielen ausführen: Die Sanierung unserer Realschulen in Ebrach, Hirschaid und Scheßlitz ist weitgehend abgeschlossen. Letzte große Maßnahmen im Umfang von ca. 5 Mio Euro finden heuer und im nächsten Jahr in Scheßlitz statt. Hier haben wir die gute Lage in den letzten Jahren sinnvoll genutzt und sind für die kommenden Jahre gut aufgestellt. Schwieriger wird die Bewertung schon bei den Investitionen im Tiefbau: Von den veranschlagten ca. 6 Millionen Euro fließt nur ein Bruchteil in Geh- und Radwege. Dabei steht längst fest: Radverkehr ist elementarer Baustein der notwendigen Verkehrswende. Unsere Bürger*innen wollen radeln: Als Pendler*innen im Berufsverkehr, im Alltag zum Kindergarten, zur Schule, zum Einkaufen, von den Ortsteilen zum Hauptort, etc., etc. Und im Tourismusbereich werden gut ausgebaute, sichere Radverbindungen zum Wirtschaftsfaktor. Daher lautet unsere Forderung weiterhin: Das Missverhältnis von Investitionen in Straßen und Investitionen in Geh- und Radwege muss aufgelöst werden! Noch schwieriger wird die Bewertung beim Thema Klimaschutz: Ja, beim Ausbau erneuerbarer Energien steht der Landkreis gut da. Und mit dem Unschädlichmachen der unsäglichen „10-H-Regelung“ hat die Bundesregierung den Weg frei gemacht, so dass auch bei uns der Ausbau der Windenergie wieder an Dynamik gewinnt, ja sogar die Themen Kommunale- und Bürgerbeteiligung an der Wertschöpfung den ein oder anderen Bürgermeister zum Umdenken bewegt haben. Aber die Stromerzeugung ist halt nur ein Teil der Aufgabe. Die Wärmewende steht nach wie vor als ungelöste Aufgabe im Raum, der Flächenverbrauch – Stichwort Artensterben – schreitet ungehindert voran, die Verkehrswende ist von einer „Wende“ weit entfernt. Statt einer Abnahme des KFZ-Bestandes im Landkreis stieg die Zahl von 2018 mit knapp 144.000 Fahrzeugen kontinuierlich auf gut 162.000 in 2023 an! Deutlicher kann man nicht zeigen, dass der ÖPNV in weiten Teilen des Landkreises schlichtweg unambitioniert und rückständig, schlichtweg keine Alternative ist. Mit dem Scheitern des ÖPNV Konzepts 2024 und der nun erfolgten Interimsvergabe geht das Drama auch noch in die Verlängerung. Wir als grüne Kreistagsfraktion sagen: das kann nicht sein! Seit vielen Jahren warten unsere Bürgerinnen und Bürger darauf, dass sich der ÖPNV im Landkreis substanziell verbessert. Das Versprechen war endlich den ÖPNV auf einen zeitgemäßen Standard zu heben. Sie, Herr Landrat stehen hier klar in der Verantwortung, schnellstmöglich für den versprochenen, besseren ÖPNV zu sorgen. Das sehen wir aktuell noch nicht. Wir brauchen daher jetzt eine genaue Analyse der Gründe für das Scheitern von Seiten der Verwaltung aber auch von den beteiligten Fachbüros. Wir haben die Vorarbeit aus 12 Jahren, Die Ergebnisse unzähliger Gremiumssitzungen, Die Planungen und Expertise der beteiligten Fachbüros, alle Daten und Fakten. Es muss doch möglich sein jetzt zeitnah eine neue Ausschreibung vorzubereiten und diese nicht, wie aktuell geplant, erst 2026, also in der nächsten Legislaturperiode zu starten. Die Ausschreibung selbst benötigt einen Zeitraum von 2 Jahren das heißt ein neuer Termin für den ÖPNV Neustart wäre laut Verwaltung erst im August 2028. Wir denken, dass dies deutlich schneller möglich ist, wenn die Verwaltung und der Landrat hier proaktiv tätig werden. Das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Erlauben Sie mir Streiflichtartig noch 2 Anmerkungen zum Bereich Klimaschutz: Die Klimaallianz und damit die Klima- und Energieagentur (KEA) scheint vollständig aus dem Blick geraten zu sein, oder warum finden nicht mal mehr die turnusmäßigen Sitzungen statt? Und hat irgendjemand schon etwas von der Arbeit des Klimabeirats gehört? Ein weiteres Zukunftsthema ist für uns die Zusammenarbeit mit der Stadt Bamberg. Ob bei den Regionalwerken, beim bisher nicht erfolgten Beitritt der Stadt zur Öko Modellregion, der Diskussion um den Schlachthof oder dem Zweckverband Gymnasien, nicht zu vergessen beim Regionalen Omnibusbahnhof – Die Zusammenarbeit ist wohl kaum als vertrauensvoll und gut zu bewerten. Als Beispiel nehme ich hier die Gymnasien, insbesondere das DG heraus. Egal wie man es dreht und wendet, Fakt ist: es geht – wenn überhaupt – in Zeitlupe vorwärts. Das muss sich ändern, und zwar schnell! Die nun vorliegenden Gutachten zeigen: die Anzahl der Schüler*innen wird deutlich steigen und die Frage, wo diese unterkommen sollen, ist bisher nicht gelöst. Stadt und Landkreis müssen beide über ihren Schatten springen und ihre Zusammenarbeit verbessern. Wir müssen als Gesamtregion denken und werden nur gemeinsam als Region vorankommen. Abschließend steht natürlich die Frage im Raum: wie werden wir abstimmen? Wir haben im Kreistag, in den Gremien und Zweckverbänden auch im vergangenen Jahr viele Beschlüsse einstimmig gefasst, andere Entscheidungen wurden mit großer Mehrheit getroffen. Dies zeigt, dass die grüne Fraktion viele konkrete Entscheidungen im Landkreis konstruktiv mitgestaltet und mitträgt. Daher werden wir mehrheitlich – trotz unserer Kritik – dem Haushalt 2024 als Spiegel des politischen Handelns im letzten Jahr zustimmen. Wir wünschen uns aber, dass die anstehenden Zukunftsthemen mit dem gleichen Engagement angegangen werden wie beispielsweise der Cleantech Innovation Park, bei dem es rasant vorwärts geht, oder das Projekt „Cisterscapes“. Die Auszeichnung als europäisches Kulturerbe ist ein herausragender Erfolg, dazu gratulieren wir Ihnen, Herr Landrat, den Projektpartner*innen aus 5 europäischen Ländern und natürlich ganz besonders den Mitarbeiter*innen im Team „Cisterscapes“. Länderübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung, der Glaube an ein geeintes Europa und an den europäischen Gedanken, gemeinsame Werte und das europäische Grundprinzip der Einheit in Vielfalt setzen ein starkes Zeichen gegen jene, die völkisch, national, ausgrenzend und menschenverachtend an den Grundpfeilern der Demokratie und der europäischen Union rütteln. Diesen Impetus und den selben Elan wünschen wir uns aber auch in vielen anderen Bereichen, z.B. für ein „Weltnaturerbe Buchenwald“ zusammen mit anderen Buchenwaldregionen oder noch besser: für einen Nationalpark Steigerwald. Die sich ergebenden Synergien sind so deutlich – eigentlich ein absoluter „no brainer“! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!