Scheitern der ÖPNV-Ausschreibung 2024

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

wie Sie sicher schon aus der Presse erfahren haben, ist das Vergabeverfahren für den neuen Busverkehr im Landkreis gewaltig gescheitert. Damit sie als Bürger:innen im Landkreis in ihren Gemeinden weiterhin einen guten ÖPNV fordern können, haben wir Ihnen nachfolgend die wichtigsten Informationen zusammengestellt. Wenn sie Fragen dazu haben oder mehr wissen wollen, stehen wir als Kreistagsfraktion gerne zur Verfügung.

Der Bamberger Kreistag hat am Donnerstag, dem 01.02.2024 die laufende Ausschreibung für die geplanten Busverkehre im Landkreis aufgehoben. Grund hierfür sind die Ausschreibungsergebnisse für den Betrieb der sechs neu konzipierten Linienbündel, die bei einem Vielfachen der kalkulierten Ausgaben liegen. Derzeit finanziert der Landkreis den ÖPNV mit jährlich circa 2,5 Millionen Euro. Einige Linien werden aktuell noch eigenwirtschaftlich gefahren, andere bereits in Notvergabe gemeinwirtschaftlich mit Kosten von circa 3,50 € pro gefahrenen km. Die Verwaltung hat in der Vorkalkulation mit 4 € pro Kilometer gerechnet, der aktuelle Durchschnittspreis in Deutschland liegt bei 4,50 €.

Das Ergebnis der Ausschreibung ist aber einfach nur unverhältnismäßig. Es haben sich 2 Unternehmen für alle Linienbündel beworben, beide nicht aus unserer Region. Das günstigere Angebot ergab einen Durchschnittspreis von 18€ pro Bus-Kilometer bei ca. 4 Millionen gefahrenen Kilometern, also Kosten von 72 Millionen Euro. Bei kalkulierten Einnahmen von ca. 12 Millionen Euro wären rund 60 Millionen Euro Defizit entstanden. Da dies auch auf die Gemeinden hätte umgelegt werden müssen, müsste der Kreistag dafür die Kreisumlage um 30 Punkte anheben.

Ziel der Ausschreibung war es, ab August 2024 für die Bevölkerung einen deutlich verbesserten ÖPNV zu schaffen. Insbesondere für den ländlichen Raum ist der ÖPNV von größter Bedeutung. Mit der auf vier Millionen nahezu verdoppelten Zahl der Linienbuskilometer sollte eine wesentlich bessere, verlässliche Taktung erreicht werden, auch Abends und am Wochenende. Die Verkehrsverbindungen sollten optimiert, die Stadt-Umland-Verkehre aufeinander abgestimmt, die Nebenorte an die Hauptorte angebunden und die im VGN üblichen Qualitätsstandards eingeführt werden.

Wie war die Situation vor der Ausschreibung:

  • Das bisherige Busangebot im Landkreis ist aus der Verpflichtung der Schülerbeförderung entstanden. Für diese bekommen die Busunternehmen festgelegte Entgelte, die von mehreren Faktoren abhängen. Die Bedienung der Linien außerhalb der Schülerbeförderung hat sich im Lauf der Jahrzehnte sehr heterogen entwickelt. Bis vor kurzem fuhren die Unternehmen diese Linien eigenwirtschaftlich, das heißt, sie hatten nur Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf.
  • 2016 hat der Kreistag einstimmig beschlossen, den ÖPNV deutlich zu verbessern und das Planungsverfahren in Gang gesetzt. Dazu würden auch die Konzessionen der 7 aktuell fahrenden Busunternehmen harmonisiert, dass sie zum 31. Juli 2024 auslaufen. Zwischenzeitlich haben aber im Jahr 2022 drei Unternehmen bei der Regierung von Oberfranken als Aufsichtsbehörde geltend gemacht, dass sie nicht weiter eigenwirtschaftlich fahren können. Seitdem bezahlt der Landkreis diese Linien. Außerdem bezuschusst der Landkreis die Stadtbusanbindung einiger Gemeinden. Wir zahlen also bereits jetzt für den ÖPNV und werden auf jeden Fall mit dem Auslaufen der Konzessionen im August deutlich mehr bezahlen müssen. Die Zeit der Eigenwirtschaftlichkeit ist nach Auskunft der beteiligten Fachbüros definitiv vorbei.
  • Der Kreistag hat nach jahrelangen Vorarbeiten den Nahverkehrsplan mit Überplanung des gesamten Liniennetzes fortgeschrieben und mit allen Gemeinden, mit den hiesigen Busunternehmen und anderen Landkreisen abgestimmt.
  • Der neue Nahverkehrsplan beinhaltete die Verdichtung des Bedienungsangebotes sowie die Ausweitung der Bedienungszeiten, die Einführung von Querverbindungen und die Erweiterung und Verbesserung des Bedarfsverkehrsangebotes.
  • Insgesamt bedeutete dies eine Ausweitung des Busverkehrs von 2,7 Millionen km auf zukünftig 4,1 Millionen zu fahrende km.
  • Die Linienbündel wurden überarbeitet und von 7 auf 6 reduziert.
  • Neue Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Stadt und Landkreis: bisher waren Hallstadt, Gundelsheim, Memmelsdorf, Stegaurach und Bischberg in Stadtbusverkehr eingebunden – zukünftig im Landkreis. Die Stadtwerke wären künftig nur noch Gundelsheim und Pettstadt angefahren.
  • Die Kostenkalkulation ging von einem Durchschnittspreis von 4,00 € aus.
  • Das gesamte Verfahren läuft seit 2016. Es wurde hierfür extra eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet, in der neben den Vertreter:innen des Kreistags und der Verwaltung (mit Unterstützung mehrerer Fachbüros!) auch die regionalen Busunternehmer und die Stadtwerke voll eingebunden waren, solange dies rechtlich möglich war, ohne die Ausschreibung zu gefährden.

Welche Gründe werden nun für das Scheitern genannt:

  • Es haben sich teilweise während der Ausschreibungszeit die gesetzlichen Grundlagen für den ÖPNV geändert. So wurde das Gesetz über die Beschaffung sauberer Fahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) geändert. Die Verpflichtung der Kommunen für die stufenweise Einführung sauberer Busse (Elektro- und Wasserstoff Buse) wurde durch eine Branchenvereinbarung zwischen Bundesregierung und den Dachverband der Busunternehmen ersetzt. Hier verpflichtet sich die Busbranche freiwillig den stufenweisen Umstieg auf saubere Busse zu realisieren.
  • Die Förderung des Bundes für Elektro- und Wasserstoff Busse hat sich aufgrund der Haushaltsprobleme verschlechtert. Dadurch wurden die wirtschaftlichen Betrachtungen der stufenweisen Umstellung in Frage gestellt.
  • Anscheinend gibt es einen massiven Fachkräftemangel bei den Busfahrern. Dies führt dazu, dass die Busunternehmen ihre Dienstleistungen einschränken müssen.
  • Aufgrund des ICE-Ausbau hat die DB-Bahn einen erheblichen Bedarf an Schienenersatzverkehr. Angeblich bietet die DB pro km 10 €. Dies führt dazu, dass die Busunternehmen bevorzugt das Angebot der DB aufgreifen. Dies scheint auch der Grund zu sein, warum so wenige (drei) Angebote abgegeben wurden.
  • Der kalkulierte Preis von 4 € pro Bus-Kilometer war in der Praxis nicht realisierbar. Stattdessen lag er bei den 2 Angeboten für alle Linienbündel bei ca. 18 € bzw. noch viel höher.
  • Es gab noch ein drittes Angebot für ein einzelnes Linienbündel (Linienbündel Süd – Hirschaid). Hier lag der Angebotspreis bei 4,70 €/km, also durchaus im realisierbaren Bereich. Die Vergabe dieses Linienbündels haben aber sowohl die Verwaltung, als auch die beteiligten Fachbüros, als nicht sinnvoll angesehen. Dies würde wohl zu größeren Problemen bei der nun nötigen Neufassung des Nahverkehrsplans und der erneuten Ausschreibung führen.

Wie geht es weiter?

  • Der Kreistag hat das Vergabeverfahren für den neuen Busverkehr im Landkreis aufgrund der wirtschaftlichen Ergebnisse aufgehoben und die Ausschreibung für nichtig erklärt.
  • Nun soll der Status quo des Busverkehrs im Landkreis per Übergangsvergabe für zunächst vier Jahre ausgeschrieben werden. Wir als Kreistagsfraktion haben für drei Jahre plädiert, damit wirklich zügig die Neuauschreibung angegangen wird.
  • Das ÖPNV-Konzept soll nun unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen überarbeitet werden.
  • Der Arbeitskreis ÖPNV soll schnellstmöglich wieder aktiviert werden. Dort sind wie bisher neben Kreistagsmitgliedern, die beratenden Unternehmen plan:mobil (Planungsbüro) und Rechtsanwaltskanzlei BBG & Partner, die Fachabteilung und die Busunternehmen zu beteiligen.

Welche Position vertreten wir als Grünen-Fraktion im Kreistag?

  • Wir fordern eine schonungslose Aufklärung der Probleme beim Vergabeverfahren für den neuen Busverkehr im Landkreis. Die Gründe für das Scheitern müssen hinterfragt werden. Die Fachbüros müssen diese Analyse ausführen und unsere Ausschreibung mit anderen derzeit laufenden oder gerade beendeten Ausschreibungen im VGN und in Franken abgleichen.
  • Wir halten an der Verbesserung des ÖPNV im Landkreis fest, um die Stärkung des ländlichen Raums und bessere Möbilitätsangebote für unsere Bevölkerung zu gewährleisten. Dies ist notwendig, um Teilhabe, Wirtschaft und Klima zu fördern.
  • Es ist zu klären, warum in anderen Landkreisen die Vergabeverfahren erfolgreich waren und warum es bei uns gescheitert ist.
  • Es ist zu klären, ob der Zuschnitt auf 6 Linienbündel dazu geführt hat, dass sich keines der hiesigen Busunternehmen am Vergabeverfahren nicht beteiligt haben oder welche anderen Gründe hier relevant sind. Vielleicht ist eine Verkleinerung der Linienbündel zu überlegen und damit die Anzahl der Linienbündel zu erhöhen.
  • Die Stadt Bamberg betreibt den Linienbusverkehr durch das kommunale Unternehmen Stadtwerke. Die Option, dass der Landkreis den Linienbusverkehr teilweise durch die Regionalwerke übernimmt, ist zu betrachten und zu prüfen. Auch denkbar wäre eine stärkere Beteiligung der Stadtwerke am ÖPNV im Landkreis. Der Vorteil dabei wäre, dass man wahrscheinlich nicht das sehr aufwändige europaweite Ausschreibungsverfahren durchführen müsste.
  • Wir fordern eine möglichst schnelle Neuausschreibung des verbesserten ÖPNV. Der nun geplante Termin für den Neustart ÖPNV in vier Jahren halten wir für verspätet. Allerdings muss man beachten, dass das vorgeschriebene 2-stufige europaweite Ausschreibungsverfahren etwa 2 Jahre vor Auftragsbeginn starten muss. Wir halten aber ein Jahr für die Neukonzeption für ausreichend, da ja alle Vorarbeiten vorliegen.

Was können Sie tun?

  • Es ist ganz wichtig, dass am Ziel, den ÖPNV spürbar zu verbessern, festgehalten wird. Dies wurde 2022 bei dem Beschluss des neuen Nahverkehrsplans von allen Kreistagsmitgliedern aller Parteien mitgetragen. Jetzt davon abzuweichen, kann nicht sinnvoll sein.
  • Wir bitten Sie ihre Gemeinde- bzw. Stadträte anzusprechen und die Verbesserung des ÖPNV einzufordern. Ihre Bürgermeister:innen waren auf jeden Fall am Verfahren beteiligt!
    Sagen Sie ihnen, dass Sie einen verbesserten ÖPNV aus genannten Gründen unbedingt wollen und Ihre Bürgermeister:innen sich dafür einsetzen sollen.
  • Bitte geben Sie Informationen und Erfahrung in Ihren Orten an uns weiter, damit wir dies bei der Weiterverhandlung verwenden können.
  • Bitte machen Sie Werbung für einen verbesserten ÖPNV durch Öffentlichkeitsarbeit – z.B. Schreiben Sie Leserbriefe pro ÖPNV .

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