Ein Wirtschafts-Motor in der Region Bamberg stottert
Rund um den 1 Mai ist viel passiert in Bamberg. Neben unserer Veranstaltung zur Zukunft der Autoindustrie am 30.04, veröffentlichte MdB Lisa Badum am 1 Mai eine Autorenpapier ebenfalls zur Zukunft dieser Industrie in Bayern und viele Boschler*innen gingen für den Tag der Arbeit auf die Straße, da sie Angst haben, ihre zu verlieren.
Inhalt
Plenum: "Die Zukunft der Automobilbranche" am 30.04
Am Vorabend des 1. Mai 2019 lud der Kreisverband der Grünen Bamberg-Land zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Die Zukunft der Automobilindustrie – zwischen Klimakrise und Verkehrskollaps“ mit den Gastrednern MdB Dieter Janecek und den bamberger
IG Metall Geschäftsführer Matthias Gebhardt nach Hallstadt ein. Unter den zahlreichen Besucher*innen der Veranstaltung waren neben GAL–Fraktionsvorsitzenden im Bamberger Stadtrat Wolfgang Grader auch die Kreisräte der Grünen Bernd Fricke und Helga Bieberstein.
Kleiner, sparsamer, umwelfreundlicher und weniger PKWs
MdB Dieter Janecek, Sprecher für digitale Wirtschaft und digitale Transformation von Bündnis90/Die Grünen, bekannte in seinem Impulsvortrag, dass es zwar zwischen der Automobilindustrie und den Grünen Konflikte gibt, diese aber gerade im Hinblick auf den Klimaschutz in einen neuen Blickwinkel betrachtet werden müssen. Die Mobilität und damit auch die Automobilbranche stellen einen großen Markt dar, der grün besetzt werden kann und muss. So solle das Auto nicht per se weg, aber es sei notwendig, Autos kleiner und sparsamer zu konzipieren. Am besten für den Klimaschutz sei daher natürlich ein Elektroauto, welches mit Ökostrom betrieben wird. Selbst unter dem kritischen Aspekt der Batterieherstellung ist auch schon heute bei einem Elektroauto die Klimabilanz deutlich besser als bei Autos mit Verbrenner. Die Entwicklung müsse daher zum einen hin zu neuen Innovationen gehen – gerade mit dem Fokus auf effizientere und umweltfreundlichere Batterien – zum anderen hin zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung.
Transformation braucht Zeit
Matthias Gebhardt von der IG Metall Bamberg knüpfte in seinem Vortrag an seinen Vorredner an. Er betonte, dass die Gesellschaft, speziell aber die Beschäftigten der Automobilindustrie sowie die der Zulieferfirmen, durch den Betrugsskandal der Dieselaffäre stark verunsichert sind. Darüber hinaus trage die Art und Weise der CO2-Debatte zu diesem Klima der Verunsicherung bei, die Debatte selbst sei aufgrund des unbestreitbaren Klimawandels notwendig. Er forderte von der Automobilindustrie einen zügigen und strategischen Umbau zu klimafreundlichen Antriebsarten sowie sowohl Standort- als auch Beschäftigungszusagen für die betroffenen Belegschaften. Dabei betonte Matthias Gebhardt, dass bei einer Transformation ein verantwortungsvoller Mix aus E-Mobilität, aus Wasserstoffen, aus künstlichen Alternativstoffen und auch aus ökologischen Verbrennungsmotoren notwendig sei. Die Politik forderte er auf, dieser Transformation genügend Zeit einzuräumen, um die Menschen mitzunehmen. Es dürfe bei diesem Wandel keine sozialen Verlierer geben, daher müsse der gesellschaftliche Konsens sein, dass Ökologie und Arbeit zusammengehören.
Breite Diskussion um Antriebsarten
In der anschließenden Diskussionsrunde gab es zahlreiche Wortmeldungen, so kam es zu einer angeregten Diskussion mit verschiedenen Standpunkten. Immer wieder wurde die E-Mobilität angezweifelt, auch wegen der für die Batterie benötigten seltenen Erden, an denen sich die Volkswirtschaft Chinas schon 80% der Schürfrechte gesichert habe. Außerdem sei der Abbau dieser Rohstoffe pure Ausbeutung der Natur und der dortigen Menschen.
Auf der anderen Seite wurde die E-Mobilität als Teil der Lösung genannt, erst recht, wenn die erneuerbaren Energien das Stromnetz noch stärker speisen würden. Vielen war auch klar, dass es ein Umdenken braucht. Es braucht staatliche Rahmenbedingungen, um weniger schwere Fahrzeuge, wie SUV´s, allgemein weniger Individualverkehr, einen Ausbau von Radinfrastruktur und dem ÖPNV zu erreichen. Dieser These widersprachen Wenige, die meinten den Menschen könne nicht vorgeschrieben werden, wie sie sich fortzubewegen haben. Doch darum ging es nicht, sondern um die Setzung eines gesetzlichen Rahmens, in dem sich sowohl jedes Individuum entfalten kann, aber eben auch die Umwelt geschützt wird.
Sprachliche Sensibilität gegenüber China wäre wünschenswert
Immer wieder wurden „die Chinesen“ als Gegner identifiziert, die den Weltmarkt übernehmen möchten. Die These, dass die chinesische Regierung DIE Wirtschaftmacht werden will, ist mit Sicherheit nicht falsch. Gerade wenn die neu aufgebaute Seidenstraße oder auch der finanzielle und politische Einfluss von China in Südamerika, Asien, Afrika und mittlerweile auch in Europa betrachtet wird. Und eine Weltmacht zu haben, die keine Grenzen hat, war und ist gefährlich. Doch wir sollten aufpassen, dass wir nicht in alte Muster zurückfallen („Die bösen kommunistischen Russen“ <-> „Die bösen kapitalistischen Amerikaner“). Denn China ist ein Land mit unglaublich vielen Menschen, von denen große Teile unter der chinesischen Regierung zu leiden haben. Also lasst uns von der Volkswirtschaft und der Regierung Chinas reden, aber nicht die Chinesen als neues „Böses“ inszenieren.
Hoher Kommunikationsbedarf
Da es so viele anregende Beiträge gab, welche den eigentlich dafür vorgesehenen Zeitrahmen sprengten, wurde allen Menschen, die noch Lust zum Diskutieren hatten, angeboten noch da zu bleiben und im kleinen Kreis weiter zu diskutieren. Viele nutzen dieses Angebot noch. Danach ging es ins Bett, um für den 1 Mai fit zu sein!
Videostatement MdB Dieter Janecek
5 Punkte Plan zur Zukunft der Automobilbranche in Bayern
Am 1. Mai veröffentlichte unsere grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Badum zusammen mit zwei Mitgliedern des Landtages, Barbara Fuchs und Markus Büchler, das Positionspapier "Too big to fail: Bayrische Fahrzeugindustrie und ihre Arbeitsplätze für die Zukunft sichern". Inhalt des Papiers ist ein 5-Punkte-Plan:
100 % Kurs auf die Verkehrswende in Bayern und Bund
Die einseitige Orientierung auf den Straßenbau muss endlich beendet werden. Während Bayern derzeit für den Radwegebau nur 40 Millionen Euro investiert, fließen zwei Milliarden Euro in den Straßenbau. Diese Mittel müssen nun in den Umweltverbund (Bus, Bahn, Rad und Fußverkehr) geleitet werden. Damit schaffen wir nicht nur flächendeckende Verkehrsverbünde in ganz Bayern mit attraktiven Tarifen, sondern auch eine massive Ausweitung des Angebots an Bussen und Bahnen. Auf dem Land wollen wir die Mobilitätsgarantie: Busse im Stundentakt von 5 bis 24 Uhr täglich. Bahnstrecken sollen elektrifiziert und teilweise reaktiviert werden. In den Ballungsräumen wird der massive Ausbau von Radschnellwegen, Expressbussen, Seilbahnen bzw. S- und U-Bahnen dazu führen, dass immer mehr Menschen sich für den ÖPNV entscheiden. Das macht die Straßen frei für den Wirtschaftsverkehr, Akteure, die tatsächlich auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind, und schafft saubere Lärm, Ruhe und Lebensqualität für alle. BUND Wir wollen für Planungssicherheit sorgen. Mit der Zulassung von Verbrennermotoren muss spätestens 2030 Schluss sein. Eine CO2-Abgabe schafft Wettbewerbsgleichheit zwischen fossilen und erneuerbaren Treibstoffen. Wir wollen das schrittweise Ende für den Bundesfernstraßenneubau bis 2030 und auf der anderen Seite die Mittel für zügige Realisierung des „Deutschland-Takts“ und die Modernisierung des Bahnnetzes sicherstellen. Wir wollen ein Bundesprogramm für Radschnellwege, neue Programme für Fahrradparkhäuser und Lastenräder. Der MobilPass ermöglicht die die bequeme Nutzung von Bussen, Bahnen und Carsharing.Wertschöpfung in Bayern durch Förderung neuer Technologien erhalten
Wir wollen Firmen fördern, die jetzt schon auf erneuerbare Technologien setzen. Zwar werden für die Herstellung von Motor und Getriebe eines Autos weniger Arbeitsschritte anfallen. Aber Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung bieten große Chancen. Bayern muss ein Vorzeigeland für die passenden Komponenten für das emissionsfreie Auto werden. Das gilt bspw. auch für die Herstellung der Batterie oder Brennstoffzelle bis zum Antriebssystem. Nach einer Studie der European Climate Foundation könnten bis 2030 in der Automobilindustrie sogar insgesamt mehr Arbeitsplätze entstehen als wegfallen. Insbesondere kleine, mittelständische und stark spezialisierte Unternehmen brauchen dabei Anschubhilfe. Wir wollen den Zugang zu Förderprogrammen verbessern und bürokratische Hürden abbauen. Es braucht eine Art „Lotsensystem“, das aufzeigt, wofür welche Förderung bei welcher Stelle beantragt werden kann. So profitieren auch kleine Betriebe, die sonst weder über die Kapazitäten noch das Wissen für die Bearbeitung der notwendigen Unterlagen verfügen.Innovative Mobilität ist mehr als nur Auto
;Die Mobilität von morgen verlangt nicht nur nach dem Privat-PKW. Der ÖPNV wird ebenfalls ein Wachstumssektor der Zukunft mit großer Nachfrage an innovativen, leisen, energieeffizienten und digital vernetzten Fahrzeugen werden. Dies und der damit verbundene Ausbau der physischen und digitalen Infrastruktur werden zukunftsträchtige, interessante Arbeitsplätze schaffen. Neue Start-Ups entstehen, die als Pioniere für grüne Mobilität voranschreiten, sei es für Carsharing-Konzepte oder für den Radverkehr. Eine neue Stadt- und Verkehrsplanung schafft Raum für Visionäre. Der „Green Startup Monitor“ zeigt, dass in Bayern bei den grünen Betriebsgründungen noch viel Potenzial nach oben besteht.Die Beschäftigten sind Träger der sozial-ökologischen Transformation
Wir wollen bei der Verkehrswende auf dem Know-how der Verkehrswirtschaft und derjenigen, die dort arbeiten, aufbauen. Gewerkschaften und Beschäftigte müssen Träger der Entwicklung sein. Wir wollen die Menschen mit einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive mitnehmen. Wir brauchen sozialpolitische Maßnahmen, die den von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten und den betroffenen Regionen helfen. Um Beschäftigten frühzeitig Angebote zu machen, noch bevor es zur Arbeitslosigkeit kommt, braucht es zum Beispiel die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung. Eine solche Versicherung für Arbeit beinhaltet Qualifizierung, Weiterbildungen und Umschulungsangebote.Wir fordern einen umfassenden bayerischen Autogipfel: Strategische Industriepolitik für emissionsfreie Fahrzeuge
Das aktuelle „Zukunftsforum Automobil“ der bayerischen Staatsregierung kann nur ein erster kleiner Schritt sein. Wir fordern darüber hinaus einen bayerischen Autogipfel, nicht nur mit den Chefetagen der großen Unternehmen, sondern auch mit Beschäftigten und mittelständischen Firmen. Hier muss der als Startschuss für eine strategische Industriepolitik in Bayern fallen. Dort soll ein Fahrplan für die sozial-ökologische Transformation unserer Fahrzeugindustrie erarbeitet werden. Diese muss die Fahrzeugindustrie zielgerichtet auf eine Spitzenposition im Weltmarkt für emissionsfreie, digitalisierte Fahrzeuge ausrichten und die überfällige Verkehrswende einleiten.
Das gesamte Papier ist hier zu finden.
Kundgebung zum 1.Mai
Am gleichen Tag waren in Bamberg bei der Kundgebung zum 1. Mai, im Vergleich zu den letzten Jahren, sehr viele Menschen auf der Straße, unter anderen auch MdB Lisa Badum und MdL Ursula Sowa. Was aufgefallen ist, dass die meisten von diesen Menschen Mitarbeiter*innen von Bosch waren. Erkenntlich war dies durch ihre Warnwesten - rot für Mitarbeiter*innen im Dieselbereich, blau für den Benzinbereich und weiß für den E-Mobilitätsbereich -. Damit wollten die Gewerkschaftler*innen auf die Verteilung der Arbeitsplätze in den verschiedenen Sektoren aufmerksam machen. Denn im Verhältnis gesehen arbeiten 10 Leute für den "roten" Bereich, 3 Leute für den "blauen" und nur 1 Person im "weißen" Bereich (Bezogen auf die Farbe der Westen). So ist es nachvollziehbar, dass sich einige Boschmitarbeiter*innen Sorgen um ihre Zukunft im Unternehmen machen, wenn die Zukunft nur auf E-Mobilität basiert. Mario Gutmann von Bosch hob dies auch nochmal hervor. Für ihn ist klar, dass E-Mobilität nicht die Lösung ist und auch nicht sein wird.
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall Hans-Jürgen Urban betonte, dass der Gewerkschaft bewusst sei, dass der Klimawandel stattfindet. Er sagt aber auch klar aus, dass der Schutz des Klimas nicht auf Kosten von der arbeitenden Bevölkerung gehen darf. So holt er zu einem weiten Schlag gegen das heutige soziale System aus. Es bräuchte eine solidarische Rente, eine tatsächlich wirksame Mitpreisbremse, eine ausreichende Grundsicherung und eine für die gesamte Gesellschaft faire Erbschafts- und Vermögenssteuer. Dazu stellt er klar, dass es in Zeiten der Globalisierung und der erstarkenden Volkswirtschaften Chinas und Indiens keine Lösung sein kann, in Populismus und Nationalismus zu verfallen. Es bräuche eine solidarische europäische Lösung, um auf die weltweiten Entwicklungen einzugehen!
Ihr Standpunkt
